Überall im Leben suchen wir nach dem „Best Match“ – in unseren Beziehungen, auf dem Wohnungsmarkt und auch bei unserer Arbeit. Wir verbringen jeden Tag viele Stunden in unserem Job. Wenn der keinen Spaß macht und sich unstimmig anfühlt, hat das einen großen Einfluss auf die Lebensqualität.

Die Grundlage für das perfekte Zusammenspiel von Unternehmen und Fach- bzw. Führungskraft wird im Bewerbungsprozess gelegt. Einer aktuellen Studie der Bundesagentur für Arbeit vom Juli 2021 zufolge suchen sehr viele Unternehmen nach neuem Personal. Da bietet es sich an, die „Annäherung“ zwischen Unternehmen und Bewerber:innen auf mögliches Verbesserungspotenzial zu beleuchten.

Wie beim ersten Date

Bewerbungsgespräche verlaufen oft wie erste Dates, in denen sich beide Parteien von ihrer Schokoladenseite präsentieren und dann später von den nervigen Eigenschaften des Partners oder der Partnerin überrascht sind. Sie wissen, dass Ihr Date Fußball mag und hören sich plötzlich sagen: „Ich liebe Fußball“, dabei stimmt das gar nicht. Nun überlegen Sie Sonnabend für Sonnabend während der Sportschau, wie Sie aus diesem Schlamassel wieder herauskommen.

Ähnlich funktioniert das, wenn Fähigkeiten oder Tätigkeiten bei einer Stelle verlangt werden, die der Bewerberin oder dem Bewerber eigentlich nicht liegen. Sie sagen lieber nichts, weil sie nicht aussortiert werden möchten, sind aber schnell unzufrieden, weil sie viel Zeit mit Dingen verbringen, die ihnen keinen Spaß machen oder nicht Ihren Kernkompetenzen entsprechen.

Oft ist auch die Stellenausschreibung nicht eindeutig. Die Tätigkeiten werden sehr beschönigt oder sogar falsch beschrieben und die Bewerber:innen glauben, sich auf eine Position zu bewerben, die zu ihnen passt. So bewirbt sich die falsche Person auf die falsche Position.

Stellenanzeigen sollten einzigartig sein

Wie kann man das verhindern? HR Consultant Christian Kersten hat sechs Tipps für den Recruiting-Prozess:

  1. Übliche Floskeln in Stellenanzeigen gilt es zu vermeiden. „Die Stellenanzeige sollte einzigartig sein und inhaltlich sowohl das wiedergeben, was die Kandidat:innen im Job erwartet als auch die Unternehmenskultur vermitteln“, sagt Christian Kersten. „Zum Beispiel ist es sinnvoll zu beschreiben, ob und wie im Team gearbeitet wird oder ob Homeoffice eine Option ist. Die Frage, die Personaler:innen sich stellen sollten ist: Wie kann ich unser Unternehmen möglichst aussagekräftig beschreiben?“
  2. Personaler:innen sollten im Gegenzug, sofern sie nicht durch die Stellenanzeige beschrieben sind, spätestens im Gespräch mit den Bewerber:innen erfragen, welche Erwartungen sie an ihren künftigen Job haben. Im Gegenzug hilft es, wenn sich die Kandidat:innen darüber Gedanken machen, wie sie selbst am liebsten arbeiten möchten und diese Punkte im Gespräch benennen. „Beide Seiten sollten klar ihre Erwartungen äußern“, so Kersten. „Je transparenter der Prozess, desto besser ist die sogenannte Candidate Experience. Ich habe das Gefühl, dass das immer mehr von den Bewerber:innen auch gemacht wird, gerade bei den Kandidat:innen aus den Generationen Y und  Z. Von erfahrenen HR‘lern wird das mitunter als vorlaut und zu fordernd dargestellt, aber ich finde das gut.“
  3. Sinnvoll ist es außerdem die sogenannten Hiring Manager, also in der Regel die Teamleitung, die Abteilungsleitung oder Fachgebietsleitung, in den Prozess der Stellenausschreibung mit einzubeziehen. Denn nur sie können in der Regel den tatsächlichen Arbeitsalltag und die Aufgaben beschreiben, da sie natürlich viel näher an ihrem Team dran sind als die Personaler:innen. 
  4. Als Unternehmen ist es außerdem wichtig darauf zu achten, schnell auf Bewerbungen zu reagieren, sonst sind die Bewerber:innen weg, erklärt Kersten. Er sieht diesbezüglich in der Digitalisierung viele Chancen: „Man kann viel schneller mal ein Zoom- oder MS-Teams-Meeting organisieren und hat dadurch einen ganz anderen Eindruck, als wenn man vorab nur ein Telefoninterview macht.“  
  5. Unternehmen sollten den Bewerber:innen entgegenkommen. „Wir haben momentan einen Bewerbermarkt und Unternehmen, die nicht auf die Bedürfnisse der Kandidat:innen eingehen und beispielsweise immer noch daran festhalten, dass nach Abflachen der Pandemie wieder Präsenzpflicht herrschen soll, werden mittelfristig Schwierigkeiten im Recruiting bekommen“, sagt Kersten. „Es hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren gezeigt, dass im Homeoffice genauso effektiv gearbeitet werden kann, wenn nicht sogar teilweise effektiver. Viele Menschen haben das schätzen gelernt, weil sie ihr Privatleben dadurch besser mit dem Job vereinen können.“
  6. Unternehmen tun gut daran eher auf die Potenziale von Kandidaten und Kandidatinnen zu achten, als auf die formalen Fähigkeiten, die im Lebenslauf stehen. „Wenn sich Hiring Manager und Personaler:innen die Frage stellen, ob sie dem oder der Bewerber:in den Job nach einer guten Einarbeitung den Job zutrauen und dies bejahen, obwohl eine solche Tätigkeit nicht im CV steht, sollten sie eher mal ‚Ja, wir machen dir ein Angebot‘ sagen“, sagt Personalberater Kersten. „Ehret die Probezeit“ fügt er hinzu. Innerhalb von sechs Monaten können sowohl die neuen Mitarbeiter:innen als auch die Unternehmen sehen, ob es passt. Vielleicht muss man auch nicht bis zum Ende der Probezeit abwarten. „Man kann sich ja sowohl als Kandidat:in als auch als Unternehmen irren“, erklärt Kersten. Modelle wie das Probearbeiten für wenige Tage begrüßt er ebenfalls. „Das muss nicht bei jeder Position gemacht werden, aber bei strategisch wichtigen oder bei Stellen, die schwierig zu besetzen sind, ist es für beide Seiten hilfreich.“